„Zu Hause ist es doch am schönsten“, sagt Philip Wentzel und meint damit nicht nur den elterlichen Betrieb, sondern auch seinen Heimatort Clausthal-Zellerfeld. Und den Harz überhaupt. Er hat bereits seine eigene Wohnung: In der Osteröder Straße, wo auch die Glaserei angesiedelt ist. Dass er den Betrieb übernimmt, steht für Inhaber Olaf Wentzel ebenso außer Frage wie für den Sohn selbst. Er ist zwar erst 22 Jahre alt, steht aber schon „kurz vor dem Meister“.
Nachdem er seine Gesellenprüfung als Innungsbester abgeschlossen hatte, erhielt er ein Stipendium für den Besuch der Staatlichen Glaserschule im hessischen Hadamar. Das Ziel Glasermeister hat er bereits fest im Visier. Derzeit arbeitet er gerade an seinem Meisterstück, mit dessen Fertigstellung sich auch dieser Ausbildungsabschnitt seinem Ende nähert.
Dann steht der Betriebsübernahme nichts mehr im Wege. Olaf Wentzel, gerade fünfzig geworden, möchte mit diesem Schritt nicht warten, bis er im Rentenalter angelangt ist. Schon in den nächsten Jahren sollen die Weichen gestellt werden. Olaf Wentzel will zwar weiter mitarbeiten, aber zugunsten seines Sohnes in der Firmenhierarchie in die zweite Reihe zurücktreten. Der Chef, so der Plan, soll dann Philip sein.
Olaf Wentzel hat die Glaserei von seinem Vater Jochen übernommen. Nun steht mit Philip die vierte Generation in dem 1946 von Franz Wentzel gegründeten Betrieb in den Startlöchern. Ein Glücksfall für die ganze Familie. Aber auch für den 22-Jährigen. „Ich kann mir nichts Besseres vorstellen“, sagt er über seine Perspektiven, aber auch den Beruf, dessen Vielseitigkeit er zu schätzen weiß.
Obwohl die Arbeitstage immer früh beginnen und häufig spät enden, bleibt noch freie Zeit. Und da biete der Harz so viele Möglichkeiten, meint Philip Wentzel. Insbesondere der Outdoor-Sport hat es dem gebürtigen Clausthaler angetan, der „die frische Harzer Luft“ liebt. Mit seinem Mountainbike ist er daher gern im Wald unterwegs. Und im Winter fegt er auf seinem Snowboard auch mal den Braunlager Wurmberg hinunter.
Für solche Erlebnisse müssen Großstädter lange Anreisen in Kauf nehmen. Er habe praktisch alles vor der Haustür, sieht der 22-Jährige Riesenvorteile für diejenigen, die ihren Wohnort im Harz haben.
Auch mit Blick auf seine berufliche Tätigkeit: Wer kann schon in der Großstadt zu Fuß zur Arbeit gehen? Für den jungen Clausthaler sind es von seiner Wohnung bis zur Werkstatt nur ein paar Meter.
Die kurzen Wege sparen Zeit. Und lassen Raum für Hobbys, die sich Philip Wentzel in erster Linie im sportlichen Bereich sucht. Beim TuS Clausthal-Zellerfeld spielt er zum Beispiel Fußball. „Aber nur in der zweiten Mannschaft“, sagt der bescheidene 22-Jährige. Da könne man auch ohne regelmäßiges Training mitkicken.
Die kurzen Wege in einer kleinen Stadt haben aber noch weitere Vorteile: „Man kann sich schnell mal mit Freunden treffen.“ Auch von jenen aus der Schulzeit haben nicht alle den Harz verlassen. „Es sind doch einige am Ort geblieben“, freut sich Philip Wentzel, der gleich nach der Realschule mit der Ausbildung im elterlichen Betrieb begann. Mit 19 Jahren war er fertiger Geselle.
Die Motivation, etwas anderes kennenzulernen, hatte er aber auch. Zwei Jahre lang arbeitete er bei der Henze Glas GmbH, einem im Südharzer Hörden angesiedelten mittelständischen Unternehmen. Da habe er noch viel dazugelernt, meint der junge Clausthaler, der jeden Tag zu seinem Arbeitsplatz pendelte.
Dem Oberharz ganz den Rücken kehren musste er notgedrungen für den Besuch der Glasfachschule Hadamar. Seit Jahresbeginn sei er aber „wieder zurück“, erzählt er und es ist ihm anzusehen, wie sehr er sich darüber freut. Das zeugt von dem guten Draht, den alle in der Familie zueinander haben. Die gemeinsame Arbeit in der Glaserei, zu der auch noch „Die kleine Holzecke“ gehört, schweißt zusammen. Um das kleine Ladengeschäft in der Osteröder Straße kümmert sich vorrangig Philips Mutter, Gabriele Wentzel.
Wenn Arbeitspensum und Wetter es zulassen, starten die Wentzels bei Familientouren im Harz durch: Auf dem Motorrad. Die Freude am Biken hat Philip von seinen Eltern in die Wiege gelegt bekommen.
Dabei fährt jeder der Drei seine eigene Maschine, auch Gabriele Wentzel. Oft ist auch noch Philips Großvater Jochen Wentzel dabei. Der 73-Jährige zog sich vor einigen Jahren aus dem Betrieb zurück, als die nächste Generation bereitstand. Auf den Motorradausflügen sind allerdings immer noch drei Generationen gleichzeitig unterwegs.